Trauer im hohen Alter

Die Bevölkerung in Deutschland wird immer älter. Mehr als die Hälfte aller Verstorbenen waren im Jahr 2021 über 80 Jahre alt. Die meisten Menschen, die um eine hochbetagte Person trauern, sind selbst hochbetagt (Ehegatten, Geschwister, Freunde, Freundinnen) oder bereits im Rentenalter (Kinder, Schwiegerkinder, Neffen, Nichten).

Trauerverläufe sind bei älteren und hochbetagten Menschen genauso unterschiedlich wie bei jüngeren Trauernden und den meisten gelingt es, nach einiger Zeit wieder einen stabilen und funktionierenden Alltag zu leben.

Dennoch gibt es einige spezifische Besonderheiten:

  • Ältere Menschen verfügen über eine Reihe im Laufe des Lebens erworbene Ressourcen. Beispielsweise können sie in der Regel auf die Zuversicht zurückgreifen, dass sie bereits viele schwere Krisen bewältigen konnten. Sie verfügen in der Regel über bessere Emotionsregulationsmechanismen als jüngere Menschen. Beziehungsbedrohende Emotionen wie Ärger, Eifersucht, Verachtung sind im Alter abgeschwächt.
  • Im höheren Alter werden gehäufte Verluste und Belastungen wahrscheinlicher (neben dem Tod naher Bezugspersonen zum Beispiel auch ein Verlust an körperlichen und geistigen Fähigkeiten, an Autonomie, Mobilität und sozialer Einbindung und Unterstützung).
  • Todesfälle im hohen Alter sind im Vergleich zum Sterben von jüngeren Menschen häufig erwartbar. Oft geht dem Tod eine längere Zeit der Krankheit und/oder Pflegebedürftigkeit voraus, in der Angehörige sehr stark belastet sind.
  • Das Bild vom Alter in der Gesellschaft trägt häufig dazu bei, dass Trauer bei alten Menschen unterschätzt wird. Es gilt also als normal, dass alte Menschen Verluste erleiden. Anzeichen von Trauer können als Teil eines unvermeidlichen Alterungsprozesses fehlinterpretiert werden. Und manchmal wird alten Menschen, beispielsweise aufgrund kognitiver Einschränkungen, abgesprochen, dass sie den Verlust überhaupt realisieren können.
  • Studien zeigen, dass die Gefahr, nach einem Verlust einen komplizierte Trauerverlauf zu erleiden, hoch ist. Bei den 75 bis 85-Jährigen liegt die Wahrscheinlichkeit bei über 30 Prozent.
  • Auch die Gefahr, eine Altersdepression zu entwickeln, ist bei alten Menschen hoch, insbesondere nach dem Tod einer wichtigen Bezugsperson. Und es ist schwer, eine angemessene Behandlung zu erhalten bzw. in Anspruch zu nehmen (ca. 80 Prozent aller alten Menschen, die an einer Depression erkrankt sind, bleiben ohne Behandlung).

Wie Menschen im hohen Alter auf einen schwerwiegenden Verlust reagieren, hängt von vielen Faktoren ab. Sie haben jedoch ein besonderes Risiko, intensives Leid oder eine psychische Erkrankung (v.a. anhaltende Trauerstörung, Depression) zu erfahren. Es besteht ein deutlicher Mangel an altersspezifischen professionellen Unterstützungs- und Therapieangeboten. Und da das soziale Netz der Betroffenen häufig "ausgedünnt" ist, sind sie umso mehr auf eine sorgende Gemeinschaft angewiesen.