Komplizierte Trauer

Der Verlust einer nahestehenden Bezugsperson ist für viele Betroffene sehr schmerzhaft. So kommen Trauernde häufig in die Situation, ihre Gefühle und sich selbst in Frage zu stellen und sich zu fragen, ob ihre Reaktionen noch normal sind, zum Beispiel wenn sie meinen, die Stimme des verstorbenen Partners klar und deutlich zu hören oder wenn der Verlust so sehr schmerzt, dass sie befürchten, ihn nicht aushalten zu können. Auch wenn sich einige Reaktionen auf den Verlust für viele Betroffene sehr unnormal anfühlen, sind diese in aller Regel ganz normale Trauerreaktionen.


Die Begriffe

Vermehrt wird im Zusammenhang mit dem Thema Trauer auch darüber diskutiert, wann von Komplizierter Trauer gesprochen wird. Früher wurde dies als "pathologische" (krankhafte) Trauer bezeichnet - eine Einschätzung, gegen die sich Betroffene wehrten. Heute wird daher eher von verlängerter, andauernder oder eben Komplizierter Trauer gesprochen. Damit wird darauf hingewiesen, dass nicht die Reaktionen unangemessen sind, sondern dass bestimmte Risikofaktoren den natürlichen Trauerprozess erschweren bzw. dass besondere Umstände das Leben des trauernden Menschen besonders kompliziert machen.


Der Aufschaukelungsprozess

Trauer ist keine rein individuelle Angelegenheit. Sie ist durch kulturelle Erwartungen geprägt, zum Beispiel hinsichtlich der Dauer oder auch der Intensität. Jede Gesellschaft hat ihre eigenen Erwartungen und so fällt es gar nicht einfach, Kriterien dafür zu entwickeln, wann von einer komplizierten Trauer gesprochen werden kann. Insbesondere Forscher sind sehr zurückhaltend, wenn es darum geht normale von komplizierter Trauer zu unterscheiden.

Charakteristisch für einen normalen Trauerverlauf ist die mehr oder weniger stetige Abnahme des Trauerschmerzes und der damit verbundenen Intensität der erlebten Emotionen. In einen festen Zeitrahmen kann dieser Verlauf allerdings nicht gepresst werden. Trauer dauert in vielen Fällen länger als Außenstehende und Betroffene annehmen.

Als komplizierte Trauerreaktion wird in der Regel ein eher chronischer Zustand beschrieben, der über sehr viele Jahre kaum vermindert besteht. Es bleibt bei einer hohen Belastung der Betroffenen, meist begleitet von psychischen und somatischen Beschwerden.

Eine komplizierte Trauerreaktion kann entstehen, wenn verschiedene Faktoren zusammenkommen und sich gegenseitig verstärken. Das können beispielsweise eine hinderliche Bewältigungsstrategie, mangelhafte soziale Unterstützung, dysfunktionale Gedanken oder auch das exzessive Beschäftigen mit dem Verlust sein. Es handelt sich laut dem Wissenschaftler Hansjörg Znoj dabei um einen Aufschaukelungsprozess, der sich mit der Zeit verselbstständigen kann.


Es betrifft nur wenige

Trauer kann ein langwieriger und schmerzvoller Prozess sein. Manchem mag es in dieser Zeit so vorkommen, als leide er unter Komplizierter Trauer. Doch sind es vorsichtigen Schätzungen zufolge nur etwa zwischen fünf und fünfundzwanzig Prozent der Hinterbliebenen, die darunter leiden.


Was tun bei komplizierter Trauer?

Die Unterscheidung von normalen und komplizierten Trauerverläufen ist selbst für Fachleute sehr schwierig. Laien sollten hier keine Selbst- oder Fremddiagnosen wagen. Wenn jemand jedoch befürchtet, seine Trauer alleine nicht bewältigen zu können, und vielleicht auch der Meinung ist, er habe einen komplizierten Trauerverlauf, dann sollte er eine Beratungsstelle aufsuchen und falls nötig auch längerfristig professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Dabei weisen Studien darauf hin, dass bei komplizierten Trauerverläufen eine Psychotherapie mit kognitiv-verhaltenstherapeutischem Therapieansatz am hilfreichsten ist.