Religion, Spiritualität, Trauer

Wenn ein Mensch stirbt, stellen sich Fragen, auf die jeder Mensch seine eigenen Antworten finden muss. Es sind Fragen, die den Sinn und die Grenzen unserer Existenz betreffen. So zum Beispiel: Wo ist die verstorbene Person jetzt? Warum musste sie und nicht ich sterben? Solche Fragen lassen sich nicht mit letzter Sicherheit klären, denn die Antworten sind nicht überprüfbar. Sie hängen zusammen mit den religiösen und spirituellen Vorstellungen, die Menschen haben.


Religion und Spiritualität - Gegensätze?

Die Begriffe Religion und Spiritualität werden häufig als Gegensätze gesehen. Religion wird dabei in westlichen Kulturkreisen eher mit Kirche und der offiziellen christlichen Lehre assoziiert, der Begriff Spiritualität hingegen eher mit einer Vorstellung von individueller Suche nach Transzendenz, nach persönlicher Wahrheit und Sinn.


Sind Religion und Spiritualität hilfreich in der Trauer?

Ein Blick in Praxis und Forschung zeigt, dass Religion und Spiritualität die Trauer erleichtern, aber auch erschweren können. So können religiöse und spirituelle Vorstellungen Betroffenen das angenehme Gefühl geben, die verstorbene Person sei nun an einem sicheren Ort oder ihr Leiden sei Teil eines größeren Plans, den nur eine höhere Macht kenne. Andererseits berichten Betroffene wiederum von Zweifeln an ihrem Glauben, zum Beispiel dem Erleben, von Gott im Stich gelassen worden zu sein. Eltern, deren Kind gestorben ist, fragen in diesem Zusammenhang oft: "Wo war Gott als mein Kind starb? Warum hat er es sterben lassen?"

Folgenreicher wird es, wenn religiöse oder spirituelle Vorstellungen streng sind und zum Beispiel bestimmte Todesarten als Sünde ansehen oder Ausdrucksformen des Trauerns nicht anerkennen. So können die Tränen einer Frau über den Tod ihres Ehemanns als Anzeichen mangelnden Glaubens gesehen werden. Oder ein Mann dessen Frau sich das Leben genommen hat, kann in eine schwere Krise geraten, weil er denkt, dass die geliebte Person durch den Suizid nun auf ewig verdammt sei. Eine Verkomplizierung der Trauer kann die Folge sein.

Im Umgang mit Kranken, Sterbenden und Trauernden spielt die Unterscheidung zwischen den beiden Begriffen Religion und Spiritualität keine große Rolle. In der Praxis zeigt sich, dass es hilfreich ist, Spiritualität auch als Religion zu begreifen: Als ein Glaubenssystem, das den Menschen mit den verschiedensten Symbolen, Ritualen und Überzeugungen in Krankheit, Sterben, Tod und Trauer zur Verfügung steht. Es spielt also keine Rolle, ob ein Mensch religiöse oder spirituelle Vorstellungen hinsichtlich seiner Existenz hat. Viel wesentlicher ist die Frage, wie diese aussehen, welche Symbole, Rituale sie enthalten und ob sie jemand als hilfreich empfindet. Unabhängig davon, welche religiösen oder spirituellen Vorstellungen ein Mensch hat, stellen sie meist eine sehr individuelle Mischung aus offizieller Lehre und individueller Ansicht dar, die es zu berücksichtigen und ernst zu nehmen gilt.