Trauer und Demenz

Wenn ein Mensch an Demenz erkrankt, dann sind nicht nur Angst und Sorge, sondern auch Trauer ständige Begleiter des Erkrankten, aber auch der Familien und Freunde. Denn erkennt die betroffene Person, was mit ihr passiert, dann wird sie erahnen können, welche Verluste die Erkrankung für sie mit sich bringen wird. Die Angehörigen und Freunde wiederum erleben, wie die geistigen Fähigkeiten eines ihnen nahestehenden Menschen zunehmend schlechter werden und sich die ganze Persönlichkeit verändert. Schon vor dem eigentlichen Tod sind das soziale Umfeld und der Erkrankte von Trauer betroffen.


Eine nahestehende Bezugsperson stirbt

Doch wie verhält es sich, wenn Demenzkranke direkt vom Tod eines nahen Angehörigen oder Freundes betroffen sind? Auch dies ist eine Situation, die für den Erkrankten und die Angehörigen gleichermaßen eine Herausforderung darstellen kann.

Grundsätzlich sind an Demenz erkrankte Personen fähig zu trauern. In einem frühen Stadium zeigen sie ganz normale Trauerreaktionen. Mit Fortschreiten der Erkrankung lassen jedoch die kognitiven Fähigkeiten nach. Die Reaktionen auf das Verlusterlebnis fallen dann anders aus als bei gesunden Personen. Doch auch wenn die kognitiven Fähigkeiten abnehmen, bleiben Gefühle und das Erleben von emotionalem Schmerz erhalten. So nehmen die Erkrankten wahr, dass etwas nicht stimmt und reagieren mit Verhaltensauffälligkeiten wie zum Beispiel Unruhe, innerer Erregung. Reaktionen wie Weinen oder der verbale Austausch kommen im fortgeschrittenen Stadium seltener vor. Es wird eher passieren, dass die Erkrankten aktuelle mit vergangenen Verlusten verwechseln oder wieder und wieder nachfragen, wo die Person ist bzw. was mit ihr passiert ist. Dies kann für die Angehörigen frustrierend und auch belastend sein. Doch es sind ganz normale Reaktionsweisen auf das Verlusterlebnis und keine Anzeichen dafür, dass die Angehörigen etwas falsch gemacht haben oder der Erkrankte nicht mitfühlend ist.


Was können Fachkräfte und das soziale Umfeld tun?

Es gibt viele Faktoren, die das Erleben und die Reaktion auf ein Verlusterlebnis bei Demenzerkrankten beeinflussen. Dazu zählt beispielsweise, wie weit die Erkrankung schon fortgeschritten ist, ob die Person den Verlust noch bewusst wahrnimmt oder ob sie sich noch an diese Beziehung erinnern kann. Wenn eine nahestehende Bezugsperson verstirbt und der Erkrankte bereits Schwierigkeiten hat, sich zu erinnern, kann es hilfreich sein, ihm Fotos zu zeigen oder bestimmte Musikstücke vorzuspielen, damit er sich an die Person erinnert. Hat der Demenzkranke erfahren, dass diese Person verstorben ist, erinnert er sich nach einiger Zeit häufig nur noch daran, dass jemand verstorben ist, vergisst aber wer es war. Unruhe und Angst können die Folge sein. Dann können Fachkräfte helfen, indem sie mit dem Erkrankten üben, sich an diese Information zu erinnern. Eine Lerntechnik, auf die sie zurückgreifen können, heißt Spaced Retrieval Technik. Dabei wird die spezielle Information wieder und wieder in immer größeren Intervallen abgefragt bis sie gut abrufbar ist. Auf diese Weise ist es möglich, dass die erkrankte Person anfangen kann, den Verlust zu verarbeiten, anstatt ihn immer wieder neu zu erleben.

Es gibt keine festen Regeln dafür, wie man Demenzkranken die Nachricht vom Tod eines Angehörigen überbringt beziehungsweise ihm beibringt, sich daran zu erinnern, was passiert ist. Angehörige sollten ausprobieren und gut beobachten, was hilfreiche Strategien sein können. In jedem Falle haben die Erkrankten aber ein Recht darauf zu erfahren, dass jemand verstorben ist. Und sie sollten, solange es die Erkrankung zulässt, auch an der Trauerfeier teilnehmen und am familiären Trauerprozess teilhaben.


Familie und Freunde

Schon während der Erkrankung haben die Angehörigen und Freunde oft das Gefühl, den Erkrankten gar nicht mehr zu kennen, so sehr hat sich seine Identität verändert. Sie erleben einen psychosozialen Verlust und es ist ganz normal, dass sie darauf mit Trauer reagieren, obwohl die Person noch lebt. Stirbt die an Demenz erkrankte Person, ändert sich der Fokus ihrer Trauer. Einige erleben den Tod als "Erlösung". Sie fühlen sich erleichtert, weil der Angehörige und sie selbst nicht mehr leiden müssen. Andere fühlen sich auf einmal wertlos. Die Pflegetätigkeit hat ihrem Leben einen Sinn gegeben, der mit dem Tod des Angehörigen nun wegfällt. Manchmal wird der Verlust von Gefühlen wie tiefem Bedauern und Schuld begleitet, weil sich die Hinterbliebenen wünschten, sie wären ab und an geduldiger und behutsamer mit dem Erkrankten umgegangen. Da der Alltag die Menschen jedoch oft in vielfältiger Weise fordert, ist es nicht immer einfach, in jeder Situation ähnlich gelassen und einfühlsam zu reagieren. Erholungszeiten sind für Betroffene oft wichtiger als sie denken.


Pflegekräfte

Stirbt der Erkrankte in einer Pflegeinrichtung, können auch die Pflegekräfte von dem Verlust betroffen sein und Trauerreaktionen zeigen. Denn hat die Person länger dort gelebt, haben sich Beziehungen zwischen den Pflegekräften, dem Erkrankten und seinem Umfeld aufbauen können. Diese gehen dann mit dem Versterben der Person verloren. Die Teilnahme an der Beerdigung sowie Rituale und die Anerkennung des Verlustes sind für sie ebenso wichtig wie für die Angehörigen und Freunde.

Trauer ist ein stetiger Begleiter für Menschen, die an Demenz erkrankt sind, aber auch für deren Angehörige und Freunde. Werden sie gut von ihrem sozialen Umfeld oder auch von professionellen Fachkräften unterstützt, wird die Krankheit zwar die gleiche bleiben, doch werden sie sich in der Pflegezeit weniger allein gelassen und ängstlich fühlen.