Trauer wird auch immer sozial reguliert
Trauer und Gesellschaft
Wenn heutzutage über das Thema Trauer geredet wird, dann wird Trauer meist als ein individuelles Empfinden, als ein persönliches Vermögen und als eine private Angelegenheit dargestellt. Gesellschaftliche Einflüsse auf Trauer scheint es nicht zu geben oder wenn doch, stehen sie hinten an. Entsprechend scheint es, als könnten Betroffene ungeachtet ihrer sozialen Umgebung oder gesellschaftlicher Regeln ganz frei ihren persönlichen Weg des Trauerausdrucks und der Verarbeitung wählen. Doch wie passen dazu Berichte von Betroffenen, dass beispielsweise Freunde, Verwandte oder auch Kollegen ihnen direkt oder indirekt sagen, wie sie sich als Trauernde verhalten sollen?
Es gibt Trauerregeln
So individuell jeder Mensch Trauer auch erlebt, so stark wird sie von der jeweiligen Gesellschaft beeinflusst, in der ein Mensch lebt. Jede Gesellschaft verfügt über Regeln, die die Trauer umgeben. Diese Regeln bestimmen zum Beispiel nicht nur, um wen Menschen trauern dürfen, sondern auch wo sie trauern, wie sie trauern oder auch wie lange sie trauern sollten. Die meist ungeschriebenen Regeln können trösten und unterstützen, sie können es den Betroffenen jedoch teilweise auch schwer machen und dazu beitragen, dass sie stark belastet sind. So wird Hinterbliebenen möglicherweise vermittelt, dass am Arbeitsplatz keine Rücksicht auf ihre momentane Verfassung genommen werden kann. Teilweise bekommen Hinterbliebene auch unverblümt Trauerregeln mitgeteilt, wie zum Beispiel "Jetzt ist es doch schon drei Monate her, jetzt müsste es doch langsam mal gut sein". Andere Regeln sind direkt nachzulesen, zum Beispiel in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen. Diese legen oftmals fest, für welche Verstorbenen sich ein Arbeitnehmer im Trauerfall wie viel Zeit frei nehmen darf. Viele der Regeln, die die Trauer umgeben, sind jedoch nicht nachzulesen, sie werden von den Menschen im Laufe des Lebens erlernt. Somit hat jeder Mensch entsprechend seines Umfeldes eigene Vorstellungen davon, was beispielsweise richtiges/gutes und hilfreiches Trauern ist und wo und wie lange sie sich äußern darf.
Was ist richtig?
Der Druck, sich gesellschaftlich konform zu verhalten, ist in der heutigen Zeit nicht mehr so groß wie in früheren Zeiten. Immer wieder entscheiden sich Menschen, nicht den gesellschaftlichen Regeln folgend zu trauern. Sie merken, dass die Regeln für sie nicht stimmig sind und machen von der Freiheit, sich gegen die Einhaltung zu entscheiden, Gebrauch. Wie in früheren Zeiten zieht ein Regelbruch aber auch heute noch Sanktionen nach sich. Ein schräger Blick, eine missbilligende Bemerkung oder die Auflösung einer Freundschaft sind nur einige Beispiele. Besteht jedoch eine Übereinstimmung darin, wie sich Betroffene verhalten und was das soziale Umfeld erwartet, dann können sich Betroffene getröstet fühlen.