Trauer vor dem Tod und Vorbereitung auf den Tod

Bei ungefähr 70 Prozent aller Todesfälle geht diesen eine längere Zeit der Erkrankung voraus. An- und Zugehörige wissen also meist um den herannahenden Tod und setzen sich damit auseinander.

Häufig ist in der Trauerliteratur von "vorweggenommener Trauer" oder "antizipatorischer Trauer" die Rede. Damit verbunden ist die Annahme, dass diese "antizipatorische Trauer" den Trauerprozess nach den Tod leichter mache. Dahinter steht der Gedanke, dass zur Verarbeitung eines Verlustes "Trauerarbeit" geleistet werden müsse und dass in der Trauer vor dem Tod bereits ein Teil dieser Arbeit erledigt werden könne.  

Diese Annahme wird durch neuere Studien aus der Trauerforschung widerlegt. Vielmehr zeigt sich, dass Menschen, die bereits in der Krankheitsphase sehr unter Trauer leiden, auch nach dem Tod einen schwereren Trauerprozess durchleben.

Aus diesem Grund wird in der wissenschaftlichen Fachliteratur auch nicht mehr von "antizipatorischer Trauer" (anticipatory grief) gesprochen, sondern von Trauer vor dem Tod (pre-death grief) und von Vorbereitung auf den Tod (preparedness).

Trauer vor dem Tod wird dabei nicht als frühzeitig begonnene Trauerarbeit verstanden, sondern als Trauer um all das, was bereits verloren gegangen ist, zum Beispiel die frühere Persönlichkeit bei Personen mit einer Demenzerkrankung oder die nicht mehr realisierbaren Reisepläne bei einer Krebserkrankung.

Vorbereitung auf den Tod hingegen meint die Bereitschaft, die Nähe des Todes anzuerkennen und sich darauf vorzubereiten, zum Beispiel mit dem Erkrankten über dessen Bestattungswünsche zu sprechen, offene Fragen zu klären oder Abschiede von Freundinnen und Freunden zu planen.

Während ausgeprägte Trauer vor dem Tod als Risikofaktor für einen schwereren Trauerverlauf gilt, hat sich die Vorbereitung auf den Tod als Schutzfaktor für die Trauer nach dem Tod erwiesen.

Erste Untersuchungen weisen darauf hin, dass Unterstützungsangebote für An- und Zugehörige, die vor dem Tod stark trauern, hilfreich sind und die Schwere der Trauer nach dem Tod abmildern können.